Ich habe Ideen und Glaubensätze über mich. Ich bin stur, stolz, stark wie eine Mauer und unverletzlich. Oder ich bin zart, empfindlich, immer empört. Das alles sind Konstrukte, die ich mir selbst drum herum auf- und einbaue. Vielleicht kommen sie nicht nur aus mir selbst, sondern aus Bewertungen, die ich innerhalb meines Lebens über mich gehört habe. Ich bin fleißig, reif, ich lerne gerne, ich höre zu, ich bin immer dabei, ich bin zur Verfügung, ich bin höflich, nett, freundlich.
Das alles sind Bewertungen. Manche habe ich von Mitmenschen gehört, manche will/wollte ich einfach sein. Ich steuere meine ganze Existenz durch diese Glaubensätze und will unbedingt so sein, wie ich will oder wie die andere mich wollen.
Die Konstrukte und Strategien werden immer mehr, sie multiplizieren sich und nehmen mit den Jahren exponentiell zu.
Hier erlebe ich die Selbstentfremdung. Ich entfremde mich von mir selbst immer mehr und betrachte mich von außen, anstatt meine Gefühle und Bedürfnisse klar auszudrücken und zu erleben.
Ich werde ein Porträt von alles, was ich sein will. Ich glaube, dass diese ganzen Glaubensätze und Ideen über mich mir helfen können, mein Leben erfolgreich zu meistern.
Es entsteht aber allmählich ein Konflikt mit meinem wahren Selbst, der jetzt ganz hinten ist. Ich spüre, dass ich nicht mehr die ganze Zeit so glücklich, so natürlich nett, höflich, freundlich sein kann. Das widerspricht meinem Selbst.
Ich kann aber nicht glauben, dass meine Glaubensätze nicht hilfreich sind. Mein Motto ist: „Es muss so gemacht werden“; „Das ist doch so im Leben“; „Man muss sich so und so benehmen“.
Dieser Konflikt nimmt zu.
Aber irgendwann macht es Klick!
Ich merke, dass ich weit weg von mir selbst bin. Ich bin nicht mehr ich, ich bin „man“. Ich merke, dass ich mich mit vielen Modal-Verben ausdrücke und mit der dritten Person Singular à man muss, man soll, man darf nicht…
Und das klärt alles. Ich bin man.
Wie befreiend es ist, darauf zu kommen! Wie unglaublich zufriedenstellend ist es, zu merken, dass ich immer per muss spreche!! Es wurde in meinem Kopf mit den Glaubensätzen alles geregelt. Aber von wem? Und seit wann?
Wer hat die Glaubensätze benutzt? ICH!
Wie wunderbar ist es, zu merken, dass ich die Verantwortung trage.
Ich bin verantwortlich für meine Selbstentfremdung.
Tolles Gefühl. Ich fühle mich frei und glücklich, weil ich weiß:
„...nur eine Person kann wissen, ob das, was ich tue, ehrlich, gründlich, offen und gesund ist, und dieser Mensch bin ich.“[Carl R. Rogers].
Jetzt kann ich wirklich nett, höflich und freundlich sein!!
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